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Kritik
der Zwangspsychiatrie
aus ärztlicher
Sicht
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Kritik
der Zwangspsychiatrie
aus juristischer
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Kritik der
Zwangspsychiatrie aus ärztlicher Sicht
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Zwangseinweisungen werden meistens durch ein Arztzeugnis, ausgestellt durch
den Hausarzt oder einen Notfallpsychiater, angeordnet. Kaum ein derartiges
Zeugnis, in dem die Ausdrücke Fremd- oder Selbstgefährlichkeit fehlen;
allenfalls findet sich eine "genauere" Diagnose wie Schizophrenie.
Dabei zeigten verschiedene Untersuchungen die grundsätzliche Fragwürdigkeit
der psychiatrischen Diagnosen auf. Die Beurteilung der Selbst- oder
Fremdgefährlichkeit (d.h. ob jemand möglicherweise Selbstmord begehen oder
gegen andere Menschen gewalttätig sein könnte) ist sogar noch fragwürdiger
und subjektiver als eine psychiatrische Diagnose. Zudem sind Psychiatrie -
Patienten und ehemalige Psychiatrie - Patienten keineswegs gewalttätiger
als die "gesunde" Bevölkerung.
Doch die Idee des gefährlichen Geisteskranken
ist ein Teil eines unheilvollen "Mythos", der gerade durch diese
Einweispraxis der Aerzteschaft immer wieder neu belebt wird. Die Aerzte
gehen bei der Beurteilung der Situation vorwiegend von den Schilderungen
der Angehörigen aus, glauben ihnen und nicht dem Betroffenen. Die
Verängstigung und Verwirrung des zukünftigen Patienten, der weiss oder
fühlt, dass er in eine psychiatrische Klinik abgeschoben werden soll, wird
als Symptom gedeutet; dasselbe gilt für Aerger oder Wut. Dabei sind Angst,
Wut, Verzweiflung und Verwirrung des "Patienten" leicht
verständliche Reaktionen eines Menschen, der sich von seinen nächsten
Angehörigen verlassen, verstossen und verraten fühlt. Falls der zukünftige
Patient sich seinem Abtransport in die Klinik verständlicherweise zu
widersetzen versucht, erhält er gewaltsam stark wirkende Psychopharmaka -
meist dämpfende Neuroleptika
- injiziert.
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Wer mit der Zwangseinweisung ("fürsorgerische
Freiheitsentziehung") oder der Ablehnung seines Entlassungsgesuchs nicht
einverstanden ist, kann Beurteilung durch ein Gericht verlangen. Diese
Möglichkeit muss leider als praktisch sinnlos und nutzlos bezeichnet
werden. Denn das Begehren um gerichtliche Beurteilung hat keine
aufschiebende Wirkung. Bis das Gericht den Entscheid über die Berechtigung
der Hospitalisation gefällt hat, vergehen in der Regel drei oder mehr
Wochen. Es braucht für einen zwangseingewiesenen Patienten unheimlich viel
Kraft, um gegen den Druck der Angehörigen und der Aerzte auf der
Ueberzeugung zu beharren, nicht hospitalisierungsbedürftig und psychisch
gesund zu sein.
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Doch die schwierige Ausgangssituation der Betroffenen
verschlechtert sich noch zusätzlich vn Tag zu Tag massiv. Sie müssen den
Entscheid des Gerichtes in der Klinik abwarten und sie werden in dieser
Zeit mit grosser Wahrscheinlichkeit medikamentös (insbesondere mit den
stark wirkenden Neuroleptika) behandelt. Müdigkeit, Dösigkeit, Antriebs-
und Interesselosigkeit, gefühlsmässige Indifferenz, Dämpfung der sexuellen
Aktivität, Impotenz und Depression (verbunden mit Selbstmordgefährdung)
sind die üblichen Wirkungen dieser Medikamente. Sie beeinträchtigen -
zum Teil bleibend - die Gefühlswahrnehmung, die Kreativität, die
intellektuelle Leistungsfähigkeit, die Entscheidungsfähigkeit der
Betroffenen und brechen damit ihre Widerstandskraft. Sie sind entscheidend
in ihrem Mensch-Sein verändert. Und die neurologischen Wirkungen der
Neuroleptika führen dazu, dass diese Menschen behindert, fremd, gestört und
"geisteskrank" wirken
Die Mitglieder des Gerichts sehen
und beurteilen damit Betroffene, die sich völlig anders fühlen und
verhalten, als dies zur Zeit vor der Einweisung der Fall war. Sie sind in
keiner Weise in der Lage, die damalige Situation aus eigener Anschauung
selbständig neu zu beurteilen. Als sinnvoll könnte die Tätigkeit des
Gerichts nur dann bezeichnet werden, wenn der Betroffene am Tag der
Einweisung angehört würde oder wenn die Tatsache der Anrufung des Richters
automatisch aufschiebende Wirkung hätte: Bis das Gericht über die
Berechtigung der Hospitalisierung
entschieden hat, dürften diese Menschen weder mit Gewalt in einer Klinik
zurückgehalten noch zwangsweise medikamentös behandelt werden.
Es ist keineswegs als Hinweis für die Berechtigung
von Zwangseinweisungen zu betrachten, dass es Betroffene
gibt, die sich nachträglich nicht mehr über dieses Vorgehen beklagen. Dies
bedeutet nur, dass Zwangshospitalisation und psychiatrische Behandlung ihre
Widerstandskraft und ihre Fähigkeit, selbständig zu denken, entscheidend
gebrochen haben. Im Uebrigen ist festzuhalten, dass Gewalt und Zwang
psychisch leidenden Menschen gegenüber grundsätzlich abzulehnen ist, wie
auch immer die Aerzte diese Handlungen zu rechtfertigen versuchen. Gewalt
und Zwang fixieren und verschäfen vorbestehende Probleme und ungünstige
Situationen.
Sinnvoll ist Hilfe nur, wenn sie vom Betroffenen selbst
gewünscht wird. Psychiatrie ist ein Thema, das vielen
Menschen grosse Angst bereitet. Um die Rolle und Fragwürdigkeit der
Psychiatrie zu durchschauen, braucht es kein grosses Fachwissen, sondern
den Mut, sich über Vorurteile hinwegzusetzen. Psychiatrie-Patienten stehen
der übermächtigen Psychiatrie meist verängstigt, allein und ohne
Unterstützung gegenüber. Wichtig ist deshalb, dass sich möglichst viele für
Betroffene einsetzen, welche Zwangshospitalisation ablehnen und ihre
Freiheit und Selbstbestimmung zurückgewinnen wollen.
Dr. med. Marc Rufer
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Kritik
der Zwangspsychiatrie aus juristischer Sicht
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Wer die herrschende Ordnung stört, der
kann unter den Titeln Geisteskrankheit, Sucht oder Verwahrlosung in einer
Anstalt eingeschlossen werden, und es können ihm dort gegen seinen Willen
chemische Mittel verabreicht werden. Die zuständigen Behörden sprechen von
Fürsorge, die Betroffenen von Freiheitsberaubung und Folter. Es fällt auf,
dass in Bereichen mit ähnlichen oder anderen schwerwiegenden Eingriffen in
die Persönlichkeit eines Menschen Verfahren eingerichtet worden sind,
welche den Betroffenen - wenigstens theoretisch - vor Uebergriffen schützen
sollen.So etwa werden die strafrechtliche Einschliessung oder die
zivilrechtliche Entmündigung in umfassenden Prozessordnungen bis in alle
Details geregelt. Der Anspruch auf einen Haftrichter und auf ein
Haftprüfungsgericht zählt zu den Menschenrechten.
Im Bereich der Zwangspsychiatrie entscheidet eine
Privatperson (Arzt) über die Einweisung. Vorgängige genaue
Untersuchungen unterbleiben regelmässig. Die schriftlichen
Einweisungsentscheide werden nicht gehörig begründet. Präzise Vorschriften,
wie die zuständigen Anstaltsärzte ihre Abklärungen und Nachforschungen zu
treffen hätten, fehlen. Die gesamten Lebensumstände des Betroffenen werden
lediglich bruchstückhaft und mehr nach dem Zufallsprinzip erhoben. Es
kommen vor allem die sich drängenden Berichterstatter mit negativen
Informationen zu Wort. Sofern es sich um direkte Beteiligte handelt, wird
deren eigener fehlerhafte Anteil am Konflikt übersehen. Informanten, die
erklären oder positiven Bericht erstatten
könnten, werden keine gesucht.
Das in Zivil- und Strafprozessen
selbstverständliche Teilnahmerecht bei der Befragung von Drittpersonen
kennt man in der Zwangspsychiatrie nicht. Eine Möglichkeit,
auf die Akteneinträge der Anstalt ("Krankengeschichte") Stellung
zu nehmen, wird nicht eingeräumt. Ruft der Betroffene den Richter an,
findet beispielsweise in den meisten Kantonen ein kontradiktorisches
Verfahren in dem Sinne, dass ein Vertreter der Anstalt in Anwesenheit des
Betroffenen die Einschliessung zu begründen hätte, nicht statt.
Die Akten bleiben für den Betroffenen
unzugänglich. Ausser einer Anhörung nimmt das Gericht keine
eigenen Untersuchungen vor. Die Oeffentlichkeit ist für das gesamte
Verfahren ausgeschlossen. Das Gericht entscheidet als einzige kantonale
Instanz. Ein Berufungsgericht mit umfassender Ueberprüfungsmöglichkeit ist
nicht vorgesehen.
Die Zwangseinweisungen und die ungenauen
Abklärungen führen fast augenblicklich zu
Verständigungsschwierigkeiten zwischen Arzt und Betroffenem, was bei diesem
- unter den obwaltenden Umständen der Ohnmächtige - zu Erregungszuständen
und zur Unfähigkeit adäquater Reaktionen führt. Der "Dialog" wird
vom Arzt brutal mit der Spritze beendet. Das Prozedere spielt sich wie folgt
ab: Zuerst wird der Betroffene aufgefordert, ein ihm angebotenes chemisches
Präparat oral einzunehmen. Weigert er sich, werden bis zu einem halben
Dutzend Pfleger aufgeboten, welche ihn festhalten oder fesseln. Daraufhin
wird ihm mit einer Spritze das Präparat in den Körper gepumpt. Weigert er
sich ein nächstes Mal, so genügt meistens die Drohung mit der
Injektionsnadel. Es werden aber auch Nichtversetzung in offen Abteilungen,
Entzug von Vergünstigungen oder Aehnliches in Aussicht gestellt. Das
Vorgehen gehört zum Anstaltsalltag.Da sich die Zwangsszenen zum Teil vor
den Augen der übrigen Insassen abspielen, weiss jedermann, was ihm im Falle
einer Weigerung blüht. Neben diesen Zwangsinjektionen gelangen
Elektroschocks, Hirnoperationen, Sterilisationen und anderes
zur Anwendung.
in den meisten Kantonen fehlt eine ausdrückliche
gesetzliche Grundlage für die Zwangsbehandlungen. Der Arzt bewegt
sich in völlig rechtsfreiem Raum. Es gilt sein ausschliessliches Gutdünken.
Der Betroffene ist vollkommen machtlos. Förmliche Verfügungen mit
Begründung und Rechtsmittelbelehrung, wie diese etwa im Strafvollzug beim
sogenannten Zwang im Zwang (z.B. Arrest) obligatorisch sind, werden keine
erlassen. Der Arztentscheid wird sofort vollzogen. Das Institut der
aufschiebenden Wirkung ist gänzlich unbekannt. Der Schutz von
Zwangspsychiatrisierten vor Uebergriffen sollte eine Selbstverständlichkeit
sein. Das Gegenteil ist leider der Fall. Regelmässig kämpfen sie allein auf
weiter Flur gegen Einschliessung und Zwangsbehandlung.
Anwälte beispielsweise, die sich im
Bereich der Zwangspsychiatrie spezialisiert haben, lassen sich in der
Schweiz an einer Hand abzählen. Während im Bereich der Freiheitsstrafen das
Institut der Verteidigung wohleingeführt und gar als Menschenrecht
anerkannt ist, ist die bei der zivilrechtlichen Freiheitsentziehung
gesetzlich vorgesehene Rechtsverbeiständung praktisch toter Buchstabe geblieben.
Die Gründe der Untervertretung sind unschwer zu entdecken. Bei der Lösung
der mit einer Entlassung zusammenhängenden Probleme ist der Anwalt meist
überfordert. Als Vertreter von Zwangspsychiatrisierten ebenfalls in
Betracht fallende Laien und Sozialarbeiter sind lahmgelegt, wenn die
Anstalten den Betroffenen auf den Rechtsweg verweisen. Aerzte, welche die
psychiatrischen Diagnosen als Etikettenschwindel blosslegen, sind rar.
RA Edmund Schönenberger
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